Evelyn Palla wird erste Frau an der Spitze der Deutschen Bahn AG – Neustart mit harten Einschnitten

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Evelyn Palla wird erste Frau an der Spitze der Deutschen Bahn AG – Neustart mit harten Einschnitten

Am 1. Oktober 2025 trat Evelyn Palla ihre neue Rolle als erste Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG an – ein historischer Moment nach 190 Jahren Unternehmensgeschichte. Die 52-Jährige, geboren in Bozen, Italien, übernimmt das Ruder in einer Krise: Verspätungen, marode Infrastruktur und ein Vertrauensverlust bei Millionen Fahrgästen haben das Unternehmen an den Rand des Zusammenbruchs geführt. Ihr erster Tag begann nicht mit einer Feier, sondern mit einer klaren Botschaft: „Wir drehen den Konzern auf links.“ Es geht nicht um Schönfärben. Es geht um Sanierung.

Ein Neustart, der wehtut

Palla, die seit 2019 bei der Bahn arbeitete – zunächst als Finanzvorstand von DB Fernverkehr, dann als Chefin von DB Regio – kennt das Innere des Unternehmens wie ihre Westentasche. Doch sie kommt nicht als Insiderin, die alles so lässt, wie es ist. Sie kommt als Reformiererin, die keine Angst vor Konsequenzen hat. In der Bundespressekonferenz in Berlin sagte sie: „Ich überprüfe jeden Job auf den Mehrwert für unsere Kunden.“ Die Zentrale im Bahntower in Berlin wird entmachtet. Entscheidungen sollen nicht mehr von oben herab fallen, sondern von den Menschen vor Ort – den Zugführern, den Bahnhofsmitarbeitern, den Technikern auf den Gleisen. „Sie sind das Rückgrat unseres Unternehmens“, betonte sie. „Auch sie verdienen einen Neuanfang.“

Was das konkret bedeutet? Keine geschlossenen Bordbistros mehr. Keine schmutzigen Züge. Keine versteckten Baustellen, die Fahrgäste überraschen. Ein digitaler „Baustellen-Melder“ soll ab 2026 alle Reisepläne in Echtzeit aktualisieren – mit genauen Angaben, wo es stört, wo es langsam geht, wo es gar nicht geht. „Wir geben den Kunden Kontrolle zurück“, sagte Palla. „Nicht mehr wir entscheiden, was sie sehen dürfen. Sie entscheiden, was sie brauchen.“

Die neue Führungsmannschaft: Wer kommt, wer geht?

Palla baut nicht nur um – sie ersetzt. Der Personalausschuss hat bereits grünes Licht gegeben für zwei neue Vorstandsmitglieder: Karin Dohm, ehemalige Finanzchefin von Hornbach, soll ab 1. November 2025 die Buchhaltung und Investitionen übernehmen. Sie war kurzzeitig bei Continental, gab das Amt aber nach acht Wochen ab – ein ungewöhnlicher Schritt, der auf Unzufriedenheit mit der Branche hindeutet. Jetzt kehrt sie zurück, mit klaren Vorstellungen: „Keine Milliarden für Symbolprojekte, sondern für den täglichen Betrieb.“

Harmen van Zijderveld, bisheriger Chef von DB Regio, übernimmt den Regionalverkehr – ein Schlüsselbereich, der jahrelang vernachlässigt wurde. In ländlichen Regionen fahren Züge nur noch alle zwei Stunden, manche Bahnhöfe sind zuhalbe abgerissen. Palla will das ändern. „Wer in der Provinz lebt, hat nicht weniger Anspruch auf pünktliche Züge als jemand in Berlin“, sagte sie. „Wir schließen keine Linien mehr. Wir öffnen sie neu.“

Und wer geht? Sigrid Nikutta, die Chefin von DB Cargo, steht vor dem Aus. Ein internes Gutachten, das der Süddeutschen Zeitung vorlag, bescheinigt ihrem Sanierungskonzept „keine tragfähige Grundlage“. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat sie schon öffentlich zum Rücktritt aufgefordert. „Sie hat kein Zukunftskonzept“, sagte EVG-Chef Martin Burkert. „Sie hält an alten Strukturen fest, während die Wirtschaft sich verändert.“ Palla hat bisher nicht offiziell bestätigt, ob Nikutta entlassen wird – aber sie hat auch nicht verteidigt. Das sagt alles.

Warum das alles jetzt passiert

Der Abschied von Dr. Richard Lutz war kein gewöhnlicher Personalwechsel. Er war eine Notlandung. Unter ihm stieg die Verspätungsquote auf 24 Prozent, die Kundenrezensionen sanken auf Rekordtief. Der Bundesverkehrsminister, Patrick Schnieder (CDU), hatte mit Aufsichtsratsvorsitzendem Werner Gatzer bereits am 14. August 2025 beschlossen, Lutz vorzeitig zu entlassen – ein seltener Schritt, der zeigt: Die Politik hat die Geduld verloren.

Palla ist kein Zufall. Sie ist das Ergebnis einer jahrelangen Suche nach jemandem, der nicht nur weiß, wie man Züge fährt, sondern wie man ein marodes System wieder aufbaut. Ihre Erfahrung bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) ab 2015 war entscheidend: Dort hat sie Regionalverkehr aus dem Keller geholt – mit klaren Prioritäten, weniger Bürokratie und mehr Verantwortung für die Lokführer. „Die ÖBB sind kein Vorbild, weil sie reich sind“, sagte Palla. „Sie sind ein Vorbild, weil sie sich auf das Wesentliche konzentrieren.“

Was bleibt – und was stirbt

Was bleibt – und was stirbt

Palla hat klargemacht: Die Ära der „Bolzstrecken“ ist vorbei. Die geplanten, klimaschädlichen Tunnelprojekte in den Alpen? Auf Eis. Die Milliarden, die dafür vorgesehen waren, fließen jetzt in die Instandhaltung der bestehenden Strecken – besonders in Ostdeutschland, wo die Schienen seit Jahren verrotten. „Wir brauchen keine neuen Wunderbahnen“, sagte sie. „Wir brauchen funktionierende alte.“

Und was ist mit den Mitarbeitern? Die EVG hat zwar Palla als Person akzeptiert – aber sie kämpft gegen den neuen Personalvorstand, den sie als „zu technokratisch“ bezeichnet. „Sie vertraut auf Zahlen, nicht auf Menschen“, sagte ein Gewerkschaftsvertreter. Palla reagiert nicht mit Worten, sondern mit Taten: Sie hat bereits angekündigt, 1.200 Bürojobs in der Zentrale zu prüfen – und bis zu 300 zu streichen, wenn sie keinen direkten Kundennutzen haben. Gleichzeitig plant sie 500 neue Stellen für Techniker und Lokführer – mit besseren Gehältern und mehr Fortbildung.

Was kommt als Nächstes?

Ab Januar 2026 startet das „Palla-Programm“ in der Praxis: Zunächst in fünf Pilotregionen – Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg. Dort wird der „Baustellen-Melder“ live getestet, die Bordbistros werden wieder geöffnet, und die Züge werden wöchentlich gereinigt – nicht nur oberflächlich, sondern bis ins letzte Kabel. Die ersten Erfolgsmessungen sollen im April 2026 vorgelegt werden. Wenn die Verspätungsquote um 15 Prozent sinkt, wird das Programm bundesweit ausgerollt.

Die Opposition im Bundestag wartet ab. Die FDP spricht von „sozialistischem Umverteilungsansatz“. Die Grünen loben die „Rückkehr zur Infrastruktur“. Aber die Fahrgäste? Die warten auf Pünktlichkeit. Und die wissen: Wenn diese Frau es schafft, dann ist es nicht durch Worte. Sondern durch Taten.

Frequently Asked Questions

Warum ist Evelyn Palla die richtige Person für die Deutsche Bahn?

Palla kennt die Bahn von innen – sie war jahrelang Chefin von DB Regio – aber auch von außen, durch ihre Zeit bei den ÖBB. Sie hat bewiesen, dass sie Regionalverkehr aus der Krise führen kann, ohne massive Subventionen. Ihr Fokus auf operative Effizienz, Kundenorientierung und Dezentralisierung unterscheidet sie von vorherigen Führungskräften, die oft auf Symbolprojekte setzten.

Was bedeutet der „Baustellen-Melder“ für Fahrgäste?

Der „Baustellen-Melder“ ist eine digitale App-Funktion, die in Echtzeit zeigt, wo gerade Bauarbeiten laufen, wie lange sie dauern und welche Alternativrouten verfügbar sind. Im Gegensatz zu früheren Systemen, die oft veraltet oder ungenau waren, wird sie mit Sensoren an den Gleisen und Daten von Lokführern aktualisiert – und ist damit zuverlässiger als die bisherige DB Navigator-App.

Warum wird Sigrid Nikutta entlassen?

Ein internes Gutachten der Bahn kam zu dem Ergebnis, dass Nikuttas Sanierungskonzept für DB Cargo keine realistischen Kostensenkungen oder Effizienzsteigerungen vorsieht. Die Frachtsparte verliert jährlich über 800 Millionen Euro. Die EVG forderte bereits ihren Rücktritt, da sie kein strategisches Konzept für den Wettbewerb mit Lkw und Bahnfracht entwickelt hat.

Wie reagiert die Belegschaft auf die Reformen?

Die Reaktionen sind gespalten. Viele Lokführer und Techniker vor Ort begrüßen die Dezentralisierung und die Rückkehr zu praktischer Arbeit. Doch in der Zentrale gibt es Angst vor Stellenabbau. Die EVG unterstützt Palla als Person, aber nicht alle ihre Maßnahmen – besonders den Abbau von 300 Bürojobs – und warnt vor einer „Entmenschlichung“ der Verwaltung.

Wird die Bahn jetzt wieder pünktlich?

Nicht sofort. Die Infrastruktur ist zu marode, die Arbeitskräfte zu knapp. Aber Palla setzt auf messbare Ziele: Bis Ende 2026 soll die Verspätungsquote von 24 auf unter 18 Prozent sinken – durch gezielte Instandhaltung, mehr Personal vor Ort und den Abbau von Bürokratie. Die ersten Erfolge werden im Frühjahr 2026 sichtbar sein – wenn die Pilotregionen ihre Ergebnisse vorlegen.

Was passiert mit den teuren Projekten wie der Stuttgart 21-Erweiterung?

Palla hat klargestellt: Keine neuen „Bolzstrecken“ mit klimaschädlichen Tunneln. Stuttgart 21 wird fortgesetzt – aber nur, weil der Vertrag bindend ist. Alle neuen Projekte müssen einen klaren Nutzen für den Alltagsverkehr nachweisen. Geld, das früher für Prestige ausgegeben wurde, fließt jetzt in die Instandhaltung der 33.000 Kilometer bestehender Strecken – besonders in Ostdeutschland, wo die Schienen teilweise nicht mehr sicher sind.

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